Die Legende von Leonard und Dorian


Kund getan von der ehrenwerten Tardukai de Perquin

Viele Jahren vor der Zeit von Shiion, dem Einiger, dem Großen, dem Sohne Aarions, dem ersten Fürst Vandriens, als noch die Sieben Grafen das Land beherrschten, sich befehdeten und wieder verbündeten, da wurden zwei Knaben geboren, Dorian und Leonard genannt. Dorian kam aus dem Hause derer von Ravinsquell in der Grafschaft Palist, Leonards Vater war Herr in der Hafenstadt Havme in Vagoring.
Wie es im Adel auch schon damals üblich war, wurden beide Knaben als sie zehn Götterläufe erlebt hatten, einer anderen Familie übergeben, um dort als Page zu dienen und auch eine Ausbildung zu erhalten. Das Schicksal, oder der Wille der Götter, führte sie beide nach Weteka, an den Hof des Grafen Kurian, dem Ahnherr Shiions, der damals die Wolfsmark weise führte.
Sie wuchsen dort gemeinsam auf, und schnell schlossen die beiden Freundschaft. Sie waren sich ähnlich im Wesen und in den Fähigkeiten im Umgang mit Waffen, kaum einer der anderen Knaben am Hofe Kurians konnte es im Schwertkampf mit einem der beiden aufnehmen. Maßen Leonard und Dorian aber ihre Kräfte, so konnte nie einer den anderen bezwingen, und sie sanken beide zu gleich manchmal erst nach mehreren Zyklen erschöpft zu Boden. Bald waren sie unzertrennlich, und nur die, die es nicht besser wussten, hielten sie nicht für Zwillinge.
Kaum verwunderlich war es also, dass sie sich nach vier zusammen verbrachten Jahren ewige Freundschaft schworen. Gegen alle Feinde wollten sie gemeinsam bestehen, die Welt schien ihnen zu gehören. Sie genossen jeden Tag, und Shanka-Pan hielt seine schützende Hand über ihnen. Eine Hürde nach der anderen bezwangen die beiden, kaum ein Tag, der nicht von einem strahlenden Erfolg gekrönt wurde.
Doch als sich das achte Jahr am Hofe Kurians dem Ende zu neigte, war es Zeit für die beiden, ihre neue Heimat zu verlassen. Zum ersten Male waren die beiden sich uneins. Leonard hatte man das Angebot unterbreitet, ein Kommando in den Truppen von Vagoring zu übernehmen, während der Graf von Palist selbst Dorian bat, ihm als Anführer seiner Leibwache zu dienen.
Schliesslich trennten sie sich schweren Herzen, und kehrten jeweils in ihre Heimat zurück, um ihren neuen Herren den Treueeid, den Eid der Feradai zu schwören.
Die Zeit verging, und schliesslich begab es sich, dass ein Streit ausbrach zwischen Palist und Vagoring. Ein Schiff aus Palist war als Wrack an den Strand von Vagoring gespült worden, und beide Grafen beanspruchten die wertvolle Fracht für sich. Leonard beauftragte man, das Wrack zu bewachen und gegen alle Feinde zu schützen. Dorian sollte die Fracht bergen und seinem Herren bringen.
Keiner der beiden wusste vom anderen, und so entbrannte schnell ein erbitterter Kampf. Viele gute Kämpfer gingen ein in Shanka-Pans Hallen, nicht wenige durch die Klingen Leonards und Dorians. Schliesslich standen nur noch die beiden, und da erst erkannten sie, wem sie gegenüber standen. Zerissen zwischen Freundschaft und Treue, forderten beide die Beute für ihren Herren. Keiner wollte, keiner konnte nachgeben, und so stritten sie wohl beinahe einen Zyklus lang.
Schliesslich hob Dorian sein Schwert, doch Leonard bewegte sich nicht, erst als Dorian die eiserne Klinge wieder aus der Brust des Freundes zog, sackte er ohne Leben zu Boden.
Dorian aber brachte seinem Grafen die Fracht und verschwand dann alleine in den Klauenbergen.

Nachtrag zur Erzählung
Dorian bat darum, aus den Diensten des Grafen entlassen zu werden, was dieser ihm gewährte. Danach zog er sich als Eremit in die Berge zurück und diente Shanka-Pan, die die Menschen in dieser Zeit den Herren nannten. Mehr ist nicht überliefert.