Tagebuch des Terek Vey


Tagebuch des Terek Vey

Mittentag, 23.Triar 14 nach Hilgorad

Es müssen nun mittlerweile zwei oder drei Wochen vergangen sein, als ich hier auf dieser Insel ankam. Und trotzdem kann ich es noch immer nicht begreifen, welches Bild mir hier täglich geboten wird. Brandenstein, eine Stadt voller Lügen, Blendung und falschen Schmeicheleien. An jeder Ecke sieht man sie, die Opfer der vier Götzen, ihre vorgetäuschte Zufriedenheit in ihrer angeblich perfekten Welt. Sie freuen sich auf das kommende Lichthoch, auf ausgelassene Orgien, die Sauferei und einem stinkenden Schwein, das zuvor aufgespießt und auf dem Feuer gegrillt wird. Doch selbst mir, als einer der die Wahrheit – Angamon, erkannt und verstanden hat, ist bewusst, dass es für die Anhänger der Götzen gilt, Buße zu tun. Weiber sollen ihre Reize nicht offensichtlich preisgeben, doch die Geweihten der Hure Vitama schlendern täglich dämlich kichernd, hauch dünn bekleidet, durch die Gassen dieser Stadt. Ja sie alle sind Gefangene, ihre Augen sind geschlossen und ich verzweifle an ihrem unbewussten Leiden. Wie sehr ich mich sehne sie aufzuklären, über die Hure, den Schlächter, den Schläfer und den angeblich Allwissenden. Erkennen sollen sie die Herrlichkeit Angamons, dem Gott der Götter, dem Herrscher der Herrschenden.

Alleine bin ich, wütend und verzweifelt….

Endtag, 25.Triar 14 nach Hilgorad

Zu später Stunde, bei einem Glas warmer Milch in der Taverne, erzählte mir mein Freund und Bruder Ryland über eine Bruderschaft hier auf Siebenwind, während im Hintergrund sich ein paar Söldner mit Wein und zwei Dirnen amüsierten. Er nannte sie „dunkle Paladine“, Priester Angamons und tapfere Recken, die stets bereit wären, ihr eigenes Leben für die Wahrheit hinzugeben. Angeblich sind sie nur Märchen, böse Geister in den Köpfen der Geblendeten, jedoch bekamen sie bereits bei der Vernichtung von Rohehafen ihre Macht zu spüren. Die dunklen Paladine werden verfolgt und gehetzt von den Dienern Bellums und doch sind sie angeblich unnachgiebig was das Verfolgen ihrer Ziele im Namen des Herren betrifft. Ich werde in den Tagen meine Augen offen halten, vielleicht fällt mir etwas diesbezüglich auf…

Festtag, 2.Lichthoch 14 nach Hilgorad – Der Eintrag ist mit zittriger Handschrift verfasst worden.

Sie singen, sie tanzen, sie feiern. Sie geben sich dem Alkohol hin, fleischlichen Gelüsten und das alles im Namen der vier Götzen. Auch am zweiten Tag ist ihre Stimmung ausgelassen, kaum Müdigkeit in ihren Gesichtern erkennbar. Allen voran die Geweihten, ja jene die sie sogar noch dazu anspornen!
Selbst hier draußen, in den sicheren und ansonsten ruhigen Wäldern, hört man noch ihr Geschrei und der Gestank beißt auch hier in meiner Nase.
Von diesen dunklen Paladinen fehlt jede Spur, jeder noch so kleine Hinweis ist ausgeblieben. Sind sie doch nur Märchen? Entsprungen aus den lästerlichen Mäulern der Geblendeten?

Doch will ich nicht meine Hoffnung aufgeben und nicht ruhen, ehe ich wenigstens die Gewissheit habe, ob sie nur eine Legende sind.

Ich frage mich was Ryland in den letzten Tagen gemacht hat. Er scheint wie vom Erdboden verschluckt und er kam auch nicht zum vereinbarten Treffpunkt. Dieses Verhalten passt nicht zu ihm, muss ich mir jetzt auch um ihn Sorgen machen?

Sonnentag, 4.Querler 14 nach Hilgorad

Vorbei sind sie, die Festtage und ich schöpfe endlich wieder neue Kraft in meinem Tun. Ryland besuchte mich am gestrigen Abend und entschuldigte sich für sein Fernbleiben. Seltsamerweise wollte er mir nicht erzählen wo er gewesen ist, es sei ihm verboten worden und er verhält sich auch etwas anders als sonst. Auffällig war zum Beispiel, dass er keinen Wein mehr trank wenn wir am Abend die Taverne besuchten und gleichzeitig war ich froh darüber. Wenigstens konnte ich ein paar Einzelheiten über sein Verschwinden herausfinden. Er sprach über einen Ort der Herrlichkeit, über dem unser Herr selbst wacht und er sei dort gewesen. Ich glaube er hat ein wenig seinen Verstand verloren, gar wegen des Entzugs des Alkohols ?.

Was Ryland nicht aufgefallen war, war das ein ordentlich gekleideter Mann den ganzen Abend über uns angestarrt hatte. Sein Blick wirkte leer, ohne jeden Fokus und er sprach nie ein Wort, außer wenn die Maid ihm nach irgendwelchen Wünschen fragte. Als wir die Taverne verließen, rechnete ich eigentlich mit einem Überfall, er hätte ja der ehrenlosen Söldnergruppe angehören können, doch dem war glücklicherweise nicht so. Als ich wieder in meinem Unterschlupf ankam plagten mich noch einige Gedanken über diesen Herren und ich muss zu geben, dass sie es gerade in diesem Moment noch immer tun…

Mittentag, 8.Querler 14 nach Hilgorad

Abermals verstrichen einige Tage der erfolglosen Suche. Und abermals war Ryland verschwunden. Nachdem ich ein wenig seine Spuren verfolgte, begegnete ich dem Kerl aus der Taverne, welcher mir vollkommen emotionslos und trocken erzählte, dass Ryland verstorben sei. Als ich ihm entsetzt nach den Umständen fragte, meinte er nur noch, dass er in Freiheit sein Leben verlor und der Herr ihm gewährte zu sich zu kommen. Genau mit diesen Worten verschwand er in einer engen, dunklen Gasse.

Ryland, mein treuer Gefährte und Bruder, er war einer auf den ich mich immer verlassen konnte. Tief sitzt der Schmerz in mir, doch soll auch das mich nicht abhalten. Mein Weg sei das Ziel, Angamon mein Herr soll mich geleiten.

Ryland du wirst mir fehlen…

Wandeltag, 12.Querler 14 nach Hilgorad – Schwarzschimmer

Er suchte mich wieder auf, dieser mysteriöse Kerl und wir sprachen etwas genauer über Ryland, seine Taten, seinen Tod.
Das Gespräch war verwirrend, es nahm eine Wendung nach der anderen und für mich warf es immer nur neue Fragen auf. Seltsamerweise konnte ich mich ihm doch nicht entziehen. Die Fragen, die Antworten, das Gefühl, dass dieser Mann die Antworten besaß, die ich so lange schon vergeblich suchte, das ließ mich alles nicht mehr los.

Ich weiß nicht, warum ich wagte, ihm zu trauen, aber am Ende erzählte ich ihm von mir. Wir sprachen über die Wahrheit, über Angamon. Ich hatte mich nicht geirrt, wir teilten die Kenntnis um IHN. Es gab mehr, die dachten wie ich, das wusste ich nun.

Als er ging, trug er mir noch eine Kleinigkeit auf als Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen. Vielleicht war es auch eine Probe?

Ich wollte es gern tun.

Mondstag, 16.Querler 14 nach Hilgorad

Nachdem die Arbeit getan und ich dem Herren davon in Kenntnis setzen wollte, begab ich mich sogleich auf die Suche nach ihm. Er arbeitete für einen Schnitzer, dem er wohl vertraute und ansonsten sogar recht angesehen unter der Bevölkerung war, wegen seinen netten Holzarbeiten. Er selbst war mir nie wie ein Handwerker vorgekommen. Wir alle müssen uns verstecken…

Jedenfalls fand ich ihm auch im Laden und überreichte ihm ein Stück Papier, so dass er die Nachricht in aller Ruhe lesen konnte, ohne das die Kunden von deren Inhalt in Kenntnis gesetzt wurden. Im Gegenzug überreichte er mir einen Zettel, in dem geschrieben stand, dass ich mich zum achten Zyklus zur östlichsten Küste begeben sollte. Natürlich kam ich jener Aufforderung nach einer kurzen Mahlzeit nach und begab mich an jenen Ort. Zeit verstrich und er kam nicht…

Gerade als ich Umkehren wollte, hörte ich ein lautes Donnern, welches jedoch nicht vom Himmel kam, sondern aus den umliegenden Wäldern. Ich legte die Hand an meinen Schwertknauf und spähte mit zusammen gezogenen Augen in das finstere Waldstück hinein, aus der das Geräusch kam. Immer näher kam das Donnern und dementsprechend lauter wurde es, bis es urplötzlich verschwand. Nur noch leises Klappern von Hufen war zu hören, doch nicht vor mir, nein direkt hinter mir. Rasch wendete ich mich um und vor mir war eine Gestalt, erhaben sitzend auf seinem Pferd. Kälte ging von dieser aus und mit einem lauten, metallischen Geräusch glitt die Person aus dem Sattel. Seine Rüstung schwarz wie die Nacht sein Mantel blutrot und aus einem edlen Stoff gefertigt. Als er sein Schwert zog ertönte abermals ein ungewöhnliches Geräusch eher mit einem schmerzhaften Schrei zu vergleichen, der erst verblasste, als er das Schwert in das feuchte Gras vor sich rammte.

Genau in diesem Moment wusste ich wer und was er war. Nein, nicht ich hatte die dunklen Paladine gefunden, sie hatten mich gefunden!