Schattenklinge


Erzähle uns eine Geschichte, Grossvater!“
„Ja! Von Helden und Schurken.“
„Und von Kriegern und Schwertern und auch von Magie!“

„All dies zugleich? Ah, weh mir, ihr kleinen Dämonen. Dann lasst mich euch von einer Klinge erzählen, in deren eherner Seele sich Licht und Schatten auf’s unheilvollste vereint hatten. Wie jeder weiss, erzählen alle Geschichten nichts anderes als die Wahrheit. Und diese hier besonders. Denn es ist die Geschichte der Schattenklinge…

Weit entfernt von hier, im Herzen eines Gebirges, das so düster und gewaltig war, dass manche es den „Grat der Dunkelheit“ nannten, gab es einst eine Binge der Zwerge. Tapfer und aufrecht lebten und wirkten die Zwerge dort und mit ihren Händen und ihren Herzen schufen sie Waffen und Rüstungen, wie kein sterbliches Auge sie je zuvor gesehen hatte. Stark und machtvoll waren sie, gerade so wie es auch das Wesen der Dwarschim ist. Denn was die Dwarschim erschaffen, erschaffen sie für die Ewigkeit.
Über Wiesen und Auen, Seen und Berge verbreitete sich die Kunde über das Wirken der Dwarschim und bald schon erreichte sie auch eine ferne Stadt, einen fernen Tempel der Vier Götter. Ein Streiter Bellums, nicht minder stark und aufrecht wie die Dwarschim selber, vernahm die Kunde und beschied, dass nur jene ihm ein Schwert schaffen konnten, das seiner Berufung, den Willen Bellums zu vollziehen, gerecht werden konnte. So zog er denn aus und bat die Dwarschim um ein Schwert, wie es nie zuvor eins gegeben hatte. In seiner Seele sollte all der Glaube, all die Stärke, all die Weisheit liegen, die auch im Herzen seines Herren lag. Und die Dwarschim willigten ein.
Ungezählt sind die Mondenläufe, in denen die Dwarschim tief im Herzen ihrer Binge ein Schwert schufen, das auf Tare’s Antlitz nicht seinesgleichen hatte. Voll Ehre und Treue, Weisheit und Glaube war seine Seele und vier magische Runen – eingelassen in den blanken Stahl seiner Klinge – zeugten von seiner Macht.
Und weil der Streiter Bellums in der Klinge eine treue Freundin erkannte, die ihn auf seinen Wegen des Glaubens und der Ehre stets begleiten würde, schenkte er ihr einen Namen. Und dieser Name war „Sala“ – Gefährtin.

Ruhmreich und ehrenvoll waren die Wege des Streiters und Sala war stets treu an seiner Seite. Bis zu jenem Tag im Triar, als sich in einem einzigen Augenblick das Muster im Webstuhl des Schicksals veränderte. Der Streiter Bellums fiel in einem Kampf gegen dunklen Klingen und seltsame Mächte. Es hätte nicht viel gefehlt und Galtor hätte ihn in Morsans Reich geführt. Und vielleicht wäre dies auch das beste gewesen. Doch seltsam ist mitunter der Wille der Götter, und unergründlich. Der Streiter Bellums überlebte. Gerettet und gepflegt von den Händen einer Frau, einer einsamen Kriegerin. Der Streiter Bellums genas und im Dank an die Viere und die fremde Frau beschied er, dass nichts minderes als Sala selbst sein Dank sein sollte. Und so gab er Sala hin in die Hände dieser einsamen Kriegerin. Und sie nahm sie.

Weit fort führte die Kriegerin die treue Klinge Sala. Fort aus der Stadt und fort aus dem Licht. Tief hinein ins Herz der Dunkelheit, wo es nur einen Herrscher gibt: Angamon. Denn die Kriegerin war eine Dienerin des Namenlosen. Und sie tat, was sie tun musste. Sie übergab die Klinge in die Hände von Angamons heiliger Bruderschaft, Raziels dunkler Paladine. Und jene, die unter ihnen die höchste war, Sakai geheissen, erkannte die Macht, die in der Klinge ruhte. Und sie erkannte die Möglichkeit, diese Macht zu nutzen. Grausame Schwärze hüllte sich über den Ort, als die Sakai die Klinge nahm und im Wirken ungenannter Rituale, im Weben unbeschreiblicher Macht und im Herbeirufen Angamons finsterster Kraft die Seele der treuen Sala zerbrach und sie neu formte. All die Stärke und die Macht Sala’s blieben als leere Hülle zurück und wurden von der Sakai mit Angamons dunkler Glut aus Hass und Verderben gefüllt. Salas Seele war verloren. Nur noch ihre Hülle aus Stärke und Macht war zurück geblieben, dazu verdammt, nun Angamons grässliche Saat zu tragen. Und vor Qual und Trauer begannen die vier Runen, die die Zwerge in die Klinge geprägt hatten, fortan mahnend blau zu schimmern. Und als der Sakai Tun vollendet war, da nahm sie der Klinge selbst den Namen. Aus dem Schwert des Lichts wurde das Schwert der Schatten. Aus Sala wurde Njuvel’sala. Njuvel’sala – die treulose Gefährtin.

Doch trügerisch ist Angamons Macht. Denn Njuvel’sala erhielt nebst des Ungenannten Macht auch einen eigenen Willen. Heimtückisch und verschlagen wurde sie. Und in ihrer Verblendung masste sich Njuvel’sala an, nicht mehr nur Werkzeug zu sein für ihren Herren, sondern Lehrer. Und Richter. Die Klinge begann, sich ihre Herren selbst zu erwählen und wer immer sie nahm, nahm die Bürde von Njuvel’salas Prüfung und Lehre auf sich.

Sieben Herren hatte sich Njuvel’sala nach jener unheilvollen Nacht erwählt. Und vier davon starben. Sie hatten in der Prüfung der Klinge versagt: zu wenig hatten sie auf sie vertraut. Oder zu viel. Zu früh hatten sie sie los gelassen. Oder zu spät. Njuvel’sala’s Seele dunkler Macht kannte keine Gnade. Vier verfielen dieser Macht. Vier starben. Nur drei überlebten.
Ein jedes Mal, wenn Njuvel’sala sich von einem ihrer Herren trennte, da nahm sie mit sich etwas von der geheimsten Schwäche ihres einstigen Herren. So wuchs Njuvel’sala, mehrte ihr düsteres Wissen, ihre schattengleiche Macht.
Doch wann immer das dunkle Schwert einen Träger hinter sich liess, stets fand sie den Weg zurück in die Hände der Kriegerin, die sie einst von jenem Streiter Bellums als Geschenk erhalten hatte. Auch die Kriegerin wuchs und reifte in all dieser Zeit. Dunkel wurde ihre Macht und unwiderstehliche ihre Stärke. Doch in all ihrem düsteren Wirken, in all ihrer Macht vergass die Kriegerin niemals die Gefahr, die in Njuvel’sala’s dunkler Seele ruhte. Die Kriegerin berührte die Klinge niemals mit der blossen Hand. So überlebte sie. So wurde sie zu Njuvel’salas Hüterin.

Nach der Prüfung der sieben blieb Njuvel’sala lange in den Händen ihrer Hüterin. Wohl verborgen, wohl gehütet. Doch niemals hörte Njuvel’sala auf zu lauern, zu harren. Und schliesslich fand Njuvel’sala, worauf sie so lange gewartet hatte. Die achte Kriegerin.
Nichts weiter als ein Schatten ihrer selbst war diese achte Kriegerin, als sie in Njuvel’salas dunkles Bewusstsein rückte. Gepeinigt war sie an Leib und am Geist. Dem Tode näher als dem Leben. Dem Wahnsinn näher als der Erkenntnis. Vielleicht hatte Njuvel’sala sie erwählt, um ihr letzte Chance zu sein. Oder letztes Verderben.
Die achte Kriegerin zögerte lange – gefangen zwischen Momenten aus Klarheit und Wahnsinn – und schliesslich nahm sie Njuvel’sala aus den Händen der Hüterin an.

Die achte Kriegerin ahnte nicht, wie sich der Webstuhl des Schicksals in diesem Augenblick verändern sollte. Niemand ahnte das.


Aber dies, meine kleinen Dämonen, ist eine andere Geschichte …

Erzähle uns von der Schattenklinge, Grossvater!“
„Ja, und von der achten Kriegerin!“
„Und von Dämonen und Kriegen und Magiern und Adligen und Nortraven und Schiffen und Mondamuletten und …“
„Nein, halt! Du bist ja närrisch, das kann er doch gar nicht alles auf einmal!“
„Ich bin überhaupt nicht närrisch!“
„Wohl b…“

„Hoo, haltet ein, kleine Dämonen. Ich will euch erzählen wie alles begann. Als die Schattenklinge ihre achte Herrin erwählte. Obwohl alles eigentlich schon viel früher begonnen hatte. Denn als die Schattenklinge ihre Wahl traf, befand sich der Faden der achten Kriegerin auf dem Webstuhl des Schicksals fast schon am Ende. Aber nur fast …“

Die Götter gaben uns ein Geschenk, das uns Privileg und Bürde zugleich ist. Das Geschenk, wählen zu können. Entscheiden zu können über unser Leben, unser Tun, unseren Pfad. Links oder rechts. Wachsen oder vergehen. Gut oder Böse. Sie liessen uns die Wahl. Es ist an uns, die Waagschale in die eine oder die andere Richtung zu neigen. Denn wir bergen in uns beides: Licht und Schatten.
Und gerade so war es auch bei der achten Kriegerin. Sie war nicht von Anfang an dem Dunkel verfallen. Im Licht begann sie ihr Leben und beinahe hätte sich ihre Waagschale auch auf die Seite des Lichts geneigt. Doch wie so häufig bei uns allen wurde auch ihr eine Prüfung auferlegt. Grausam war sie und zu gross für sie. Denn sie verzweifelte daran. Aus Trauer wurde Verzweiflung. Aus Verzweiflung wurde Bitterkeit. Aus Bitterkeit wurde Hass. So schlängelte sich ihr Pfad immer tiefer hinein in jene Schattenlande, aus denen Angamon sich seine Diener holt.
Doch nicht alles in ihr war dunkel. Tief in ihr ruhte ein letzter Funke verblassenden Lichts, der sich verzweifelt gegen das Verderben wehrte. Und fast hätte der Funke seinen verzweifelten Kampf gewonnen, denn in dem seltsamen Geflecht auf dem Webstuhl des Schicksals wurde der achten Kriegerin ein kostbares Geschenk zuteil: ihr wurde Liebe geschenkt. Grausam tobte fortan in ihr der Kampf zwischen Licht und Schatten, Liebe und Hass. Es stand auf Messers Schneide. Jeder vage Hauch des Schicksals konnte die Wendung bringen. In einem einzigen Augenblick könnte sie die Rettung im Licht finden oder auf ewig dem Dunkel verfallen. Niemand würde ihr diese Entscheidung abnehmen können. Niemand hätte es gedurft. Und doch tat es einer. Einer versuchte, an ihrer Statt die Waagschale in eine Richtung zu neigen. Und daran zerbrach sie.
Jener, den sie über alles liebte, hinterging sie und versuchte sie in einem einzigen, verzweifelten Schlag von allem zu befreien, das Dunkel in ihr war. Sein Ansinnen war ehrbar und gut, denn er liebte sie aus reinstem Herzen. Und doch war es gerade dieses Tun, das die achte Kriegerin endgültig ins Dunkel treiben sollte. Bitter ist das Schicksal mitunter und voller Ironie.

Qualvoll lange Nächte hielt er sie gefangen wie ein Tier und niemanden schmerzte dies mehr als ihn. Er wusste, dass seine Möglichkeiten begrenzt waren und so holte er sich in seinem Tun einen mächtigen Verbündeten: einen Erzgeweihten jenes Gottes, der die achte Kriegerin vor vielen Dunkeltiefs vor ihre erste und grösste Prüfung gestellt hatte. Vielleicht war es gerade diese Wahl, die das Schicksal der achten Kriegerin endgültig besiegeln sollte. Denn sie versuchten ihr eben jene Lehren aufzuzwingen, an denen sie vor vielen Dunkeltiefs bereits verzweifelt war. Endlos, immer und immer wieder, versuchten sie der achten Kriegerin mit Bellums Lehren das Dunkel auszutreiben. Mit Strenge und Milde, mit Härte und Sanftmut versuchten sie es. Doch eines Menschen Pfad kann nicht gewaltsam bestimmt werden. Und so bäumte sich die gepeinigte Seele der achten Kriegerin auf, wehrte sich gegen Gefangenschaft und die Mittel ihrer Kerkermeister. Hass und Trotz loderten in archaischer Wildheit in ihr auf, genährt durch die Gefangenschaft und die Versuche, ihr die Lehren Bellums gewaltsam aufzuzwingen. Und dann tat ihre Seele das selbe wie ein wildes Tier, das man in die Enge treibt: sie wehrte sich.

Erst verweigerte sich ihr Leib. Und dann verweigerte sich ihr Geist. So wie ihr Leib Brot und Wasser mied, so mied ihr Geist fortan die Realität. Immer weiter zog sie sich in sich zurück. Immer dann, wenn man ihr Bellums Lehren aufzwingen wollte, tauchte sie hinab in die düsteren Tiefen ihrer gepeinigten Seele und lauschte den tröstlich säuselnden Stimmen der Schatten in sich; den Lehren Angamons, die ihr in ihrer Verzweiflung zum letzten, grässlichen Rettungsanker geworden waren. So begann sie schliesslich dem Wahnsinn zu verfallen. Vielleicht wäre sie in dieser düsteren, fensterlosen Zelle gestorben. Und vielleicht wäre dies auch das beste gewesen. Doch das seltsame Geflecht auf dem Webstuhl des Schicksals gönnte ihr diese Erlösung nicht.
Niemand der dem Namenlosen einmal gedient hat, entkommt ihm jemals wieder. Und so waren die Diener der Schatten nicht untätig geblieben. Im Verborgenen hatten sie sich vereint und ihre dunklen Fäden gesponnen, um Angamon’s verlorene Dienerin zurück zu holen. Und so kamen sie eines Nachts. Mit Schwert und Magie und des Namenlosen düsterer Macht. Klingelndes Metall und wispernde Schattenmagie sangen ihre düstere Symphonie, als Angamon’s Dienerin, die achte Kriegerin, zurück in die Schattenlande geholt wurde.

Seltsam windet sich der Faden des Lebens auf dem Webstuhl des Schicksals. Denn bevor die achte Kriegerin von Njuvel’sala erwählt wurde, führte der Faden ihres Lebens sie nach ihrer Befreiung zu drei Seelen, die sich auf seltsame Art Freund und Feind zugleich waren: der dunkle Paladin, die Schattenweberin, die Hüterin. Jene drei waren es, die die achte Kriegerin heraus aus dem Labyrinth des Wahnsinns führten. Und hinein ins ewige Dunkel.

Aber dies, meine kleinen Dämonen, ist eine andere Geschichte …

Erzähle uns von dem dunklen Paladin, Grossvater!“
„Nein, von der Schattenweberin!“
„Oh nein, von der Hüterin!“
„Nein, nein, ihr seid ja närrisch, die Geschichte über die Schattenweberin ist sicher am besten!“
„Ich bin überhaupt nicht närrisch!“

„Hoo, ihr kleinen Dämonen. Ich werde euch etwas über alle drei erzählen. Denn in der Geschichte der Schattenklinge sind sie alle drei verbunden. Auch wenn das damals keiner wahrhaben wollte …“

In jener Nacht, als die Diener Angamons in die Kerker der Inquisition eingebrochen waren um die achte Kriegerin zu holen, fanden sie dort nichts weiter als den verblassenden Schatten einer dem Wahnsinn verfallenen Seele vor. Es stand auf Messers Schneide, denn keiner wusste, ob sie den schmalen Grat, den das Leben vom Vergehen trennt, nicht schon überschritten hatte. Aber so verblendet, wie die Diener des Namenlosen dem Dunkel folgen, so unbeirrbar sind sie auch in ihrem Tun. Also nahmen sie sie mit. Und als das Werk getan war, da blieben drei von ihnen bei der achten Kriegerin zurück.

Sie waren drei. Und sie waren einander Feind und Freund zugleich. Einer seltsamen Allegorie gleich entstammte jeder der Drei einer anderen Gemeinschaft. Drei Gemeinschaften, drei Wege, drei Mächte. Vereint nur durch dies eine Band: Angamon. Doch war dies Band genug? Lauerndes Misstrauen waberte zwischen den drei Mächten und so war es auch zwischen diesen drei Seelen:

Da war der Dunkle Paladin – Inkarnation dunkler Macht, Treuester der Treuen, Glaube, Codex, Ehre, Loyalität. Düstere Klüfte längst vergangener Tage lagen zwischen seiner Bruderschaft und den anderen beiden Mächten. Denn niemand schmäht den Namen des Fürsten Raziel ohne den Preis dafür zu zahlen. Und der Preis dafür war Isolation.

Da war die Schattenweberin – lächerlich gebrechliches Gefäss vergänglicher Sterblichkeit das in sich unbeschreibliche Kräfte barg. Arrogantes Streben nach mehr und immer mehr Macht, Paktierer des Allmächtigen, Weber seiner dunklen Kräfte, Schwarzmagier. Unwiderstehlich war die Macht dieser Magier. Und sie wussten es. Aus dem Wissen über ihre Macht wuchs Arroganz. Und aus Arroganz erwuchs Isolation.

Und da war die Hüterin – Kriegerin, Dämonenblut, Stärke oder Tod, Schild der Schatten, Dracon. Ihre Gemeinschaft war die dunkle Klinge eines Assassinen, dem der Tod des Opfers und der Sieg der Sache über die Wahl der Mittel geht. Unbeirrbar ihr Streben nach Stärke und dem Sieg des Namenlosen. Die Wahl der Mittel? Einerlei. Und aus der Wahl ihrer Mittel erwuchs Isolation.

Sie waren Drei. Herz und Geist und Hand. Bruderschaft, Magier, Schild der Schatten. Miteinander verwoben in Angamons groteskem Geflecht der Nacht. Entzweit in ihren menschlichen Schwächen.

Man sagt, dass im Licht der Vergangenheit die Konturen der Gegenwart ihre Schatten in die Zukunft werfen. Vielleicht waren die Drei eine Allegorie dieser Weisheit. Und vielleicht war es ihnen nur deshalb möglich, die achte Kriegerin aus dem Labyrinth des Wahnsinns zu führen.

Lange und qualvoll war der Weg der achten Kriegerin und er begann in der Gegenwart. Mit dem Geist der Düsternis, der Schattenweberin. Grausame Tentakel filigraner Macht bohrte sie im Weben ihrer Magie in den verwirrten Geist der achten Kriegerin. Vergewaltigte ihn auf der Suche nach verborgenem, verdrängtem. Und was sie fand war der Kampf des Irrsinns, in dem die achte Kriegerin gefangen war: all ihr Hass, all ihre Urängste, all ihr Gieren nach Rache für die Taten ihrer Kerkermeister. Voller Genugtuung zog die Schattenweberin sich aus dem Geist der achten Kriegerin zurück, denn Hass und Rache sind der Nährboden, auf dem Angamons dunkle Saat gedeiht. Die Schattenweberin gab der achten Kriegerin ihren Geist zurück.

Doch was sind Hass und Rache, wenn sie keinen Rahmen haben? Zügellos und chaotisch sind die Kräfte, die daraus erwachsen. Zerstörerisch, wenn sie nicht gebändigt werden. Und so wie der reissende Fluss im Triar durch das Flussbett gebändigt wird, so wurde die Urgewalt aus Hass und Rache durch den Zweiten gebändigt. Durch den Dunklen Paladin, Herz der Düsternis. Er holte die Vergangenheit der achten Kriegerin aus dem Labyrinth des Wahnsinns. Er befreite Stück um Stück das, was von Irrsinn verschüttet worden war: Schwur, Codex, Treue, Pflicht, Glaube. Er führte sie zurück zu dem, was ihr Ursprung, ihre Herkunft war. Er machte sie wieder zur Khetai. Er gab ihr ihr Herz zurück.

Die Vergangenheit war geborgen, die Gegenwart enthüllt. Was blieb war die Zukunft. Die Zukunft der achten Kriegerin sollte Kampf sein. Und diese Zukunft gab ihr die Hüterin, die Hand der Düsternis. Sie nahm Vergangenheit und Gegenwart der achten Kriegerin auf, prüfte und wog ab und zeigte ihr dann den Weg in die Zukunft: Versagen das im Tode endet, Stärke die nicht erbettelt sondern bewiesen wird, der Einklang von Willen und Pflicht, Demut, Glaube, Stärke. Sie gab der achten Kriegerin einen Weg in die Zukunft.

Grausam war der Weg, den die Hüterin der achten Kriegerin wies, und ohne Gnade. Doch in diesem Weg vereinte sich auf seltsame Art, was vor langer Zeit entzweit worden war:

Herz, Geist, Hand.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft.
Bruderschaft, Magier, Schild der Schatten.

Und als die achte Kriegerin durch das Wirken der Drei – Dunkler Paladin, Schattenweberin, Hüterin – aus dem Labyrinth des Wahnsinns heraus geführt worden war, da war die Zeit gekommen, auf die Njuvel’sala so lange gewartet hatte. Es hätte eine Zeit werden können, in der Herz und Geist und Hand wieder vereint, Seite an Seite hätten streiten können. Doch das taten sie nicht. Und obwohl die achte Kriegerin durch das Zusammenwirken der Drei gerettet worden war, stand sie nach Njuvel’sala’s Wahl plötzlich alleine da. Vielleicht war eben dies der Fluch Njuvel’sala’s. Oder ihr Segen.

Aber dies, meine kleine Dämonen, ist eine andere Geschichte …